Predigt am Sonntag Trinitatis

Predigt: Susanna Kschamer

Predigt

Die Gnade unseres Herren Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit uns allen.

Liebe Gemeinde,

was darf in einem Gottesdienst auf gar keinen Fall fehlen? Was ist so wichtig, dass ein Gottesdienst keiner mehr ist, wenn es fehlt? Der Bezug auf die Bibel als Wort Gottes? Ein Gebet oder zumindest das Vaterunser? Für mich gehört in jedem Fall der Segen dazu.

Doch was ist Segen eigentlich? Das Gleiche wie Glück? In einem weit verbreiteten Geburtstagslied wird beides ja in einem Atemzug gesungen: „Viel Glück und viel Segen auf all deinen Wegen ...“ Unter Glück versteht man ein Zusammentreffen günstiger Zufälle, egal, ob der Mensch das im Moment besonders nötig braucht oder nicht.  Egal auch, ob er es verdienst hat. Eine junge Frau reagierte deswegen regelrecht beleidigt, als ihr jemand Glück für ein wichtiges Gespräch wünschte. In ihren Ohren klang es so, als hielte man sie für inkompetent. Und die römische Glücksgöttin Fortuna gilt als launisch. Sollte man Segen da nicht besser vom profanen Glück unterscheiden? In frommen Kreisen war und ist diese Einstellung weit verbreitet.

Schaut man in die Bibel, ist die Antwort gar nicht so einfach. Der Erzvater Jakob z.B. erfährt Segen in Form von vielen Ziegen.  Mehrere Male werden von den Ziegen mit der Fellfarbe, die ihm gehören sollten, besonders viele geboren. Materialistischer ging es damals nicht. Segen passt hier gut damit zusammen, sich über Glück und Erfolg zu freuen.  Glück und Segen sollte man nicht gegeneinander ausspielen.

Glück gilt im westlichen Kulturkreis als hoher, vielleicht sogar als der höchste Wert. In den USA hat das Glück es sogar in den Verfassung geschafft. In den letzten Jahren ist viel über das Glück geforscht worden. Unzählige Ratgeber sind zu diesem Thema erschienen und geben Tipps, was man dafür tun kann, um glücklich zu sein,  wie man sich und sein Leben optimieren kann. Da ist mancher nützlicher Hinweis dabei. Vieles folgt aber auch der einfachen Formel „Jeder ist seines Glückes Schmied.“ Und führt dann auch schnell zur Akzeptanz eines anderen Spruches: „Jeder ist sich selbst der Nächste“. So schlägt das Streben nach einem guten Leben dann zuweilen in ein „Glücksdiktat“ um, es wird zum Zwang glücklich sein zu müssen. Menschen, die das nicht können, werden so noch mehr belastet. Sie geraten aus dem Blick, das Leiden, das auch zu unserem menschlichen Leben gehört, verliert seine Würde. Zu unserer Wirtschaftsordnung, die auf Gewinnmaximierung ausgerichtet ist, passt diese Einstellung allerdings fantastisch. Aber ist das Segen?

Vielleicht hilft uns ein Blick in den Predigttext für das Trinitatisfest weiter:

22 Und der HERR redete mit Mose und sprach:
23 Sage Aaron und seinen Söhnen und sprich: So sollt ihr sagen zu den Israeliten, wenn ihr sie segnet:
24 Der HERR segne dich und behüte dich;
25 der HERR lasse sein Angesicht leuchten über dir und sei dir gnädig;
26 der HERR hebe sein Angesicht über dich und gebe dir Frieden.
27 Denn ihr sollt meinen Namen auf die Israeliten legen, dass ich sie segne.
4. Mose 6, 22-27

Seit Martin Luther ihn 1525 einführte, wird dieser Segen in der Evangelischen Kirche – wenn auch zuweilen in sprachlich leicht abgewandelter Form – am Ende des Gottesdienstes gesprochen. Hier begegnet er uns in seinem biblischen Zusammenhang.

Den einleitenden Worte des Predigtabschnittes können wir entnehmen, dass dies ursprünglich gar kein christlicher Text ist. Er gilt zunächst einmal den Israeliten. „So sollt ihr sagen zu den Israeliten, wenn ihr sie segnet.“ Auch heutzutage hat er in der jüdischen Frömmigkeit einen wichtigen Platz: So ist er Bestandteil des Hauptgebetes in jüdischen Gottesdiensten, des sogenannten 18 Bitten – Gebetes. Und bei der häuslichen Sabbatfeier wird er vom Vater über jedes Kind gesprochen.
Vermittelt durch Jesus Christus, der ja Jude war, haben auch wir Menschen aus anderen Völkern Zugang zu diesem Segen.

Die Worte nach dem eigentlichen Segenstext weisen darauf hin, was Segen eigentlich ist: „Ihr sollt meinen Namen auf die Israeliten legen“ Der Segen bringt uns mit Gott in Berührung. Hier geschieht mehr als das Hören von Worten. Deswegen ist das Segnen immer auch mit Gesten verbunden, die man sehen kann – das Erheben der Hände gehört dazu. Und er ist oft auch mit dem Auflegen der Hände verbunden. Wie wichtig Berührung ist, merken wir ja gerade in diesen Zeiten, in denen wir wegen der Coronapandemie weitgehend darauf verzichten müssen. Was im Segen geschieht, geht über Hören, Sehen und Fühlen hinaus. In seinem Namen ist Gott selbst gegenwärtig und das auf eine vielfältige Weise.

Nun versuche ich mich dem eigentlichen Segenstext zu nähern. Ich bin da etwas scheu, weil im Segen soviel mehr geschieht, als in Worte zu fassen ist. Und ich versuche es trotzdem in der Hoffnung, durch das Nachdenken mehr davon wahrnehmen zu können. Die Segensworte bestehen aus drei Sätzen. Dabei steigert sich die Nähe von Vers zu Vers. Jeder dieser Sätze hat zwei Teile. Der erste spricht vom Handeln Gottes und der zweite von der Wirkung bei der oder dem Gesegneten:

„Der HERR segne dich und behüte dich“: Aus dem Segen entsteht Schutz – vor dem, was uns bedroht und für das, was wir zum Leben brauchen. Dazu können dann auch Ziegen gehören.

Der HERR lasse sein Angesicht leuchten über dir und sei dir gnädig: Gott nimmt uns wahr.  Wenn wir haben, was wir zum nackten physischen Überleben brauchen, ist das Wahrgenommen werden das größte menschliche Bedürfnis. In Gottes Licht und unter seiner Aufmerksamkeit dürfen wir leben. Und wir dürfen es so, wie wir sind, ohne dass wir etwas dafür leisten müssen, einfach aus Gnade.  Wir müssen auch nicht dankbar oder glücklich sein. So kommt Gott uns noch einen Schritt näher.

„Der HERR hebe sein Angesicht über dich und gebe dir Frieden“: Schließlich werden wir von Gott eingehüllt – und kommen so in seinen Schalom, gehören zu seinem Frieden.  Wir werden Bestandteil vom seinem Reich, das zugleich nahe ist und noch aussteht. Wir kennen dieses Reich aus den Worten Jesu.

Das gilt alles gilt unter guten und glücklichen Lebensbedingungen, aber auch in schwierigen Zeit, in denen das Glück, das wir uns wünschen, unerreichbar zu sein scheint : „Von guten Mächten wunderbar geborgen“ dichtete Dietrich Bonhoeffer im Gefängnis. Segen geschieht, wo Gott uns berührt.

Und der Friede Gottes, der höher ist, als alle menschliche Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen

Letzte Aktualisierung: 20.04.2024 | Impressum | Datenschutzerklärung