28.03.2021, 10:00 Uhr

Predigt für den Sonntag Palmarum und die Karwoche ab dem 28.3.2021

Die Gnade unseres Herren Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit uns allen. Amen

Liebe Leserin, lieber Leser,

Gestern Abend begann bei den Jüdinnen und Juden auf der ganzen Welt das Pessachfest. Wie in jedem Jahr erinnern sie sich an die Befreiung des Volkes Israel aus der Sklaverei in Ägypten. Wie in jedem Jahr stellt das jüngste Mitglied bei Tischgemeinschaft am Abend die rituelle Frage: „Warum ist diese Nacht anders als alle anderen Nächte?“ Lobgesänge, symbolische Speisen wie das ungesäuerte Brot, Bitterkräuter für die bittere Zeit in Ägypten und Salzwasser für die Tränen intensivieren die Erinnerung. Vier Becker Wein stehen für die Verheißungen Gottes. Sieben Tage lang wird dann kein Brot gegessen, das mit Sauerteig, Hefe oder ähnlichem gebacken wurde, sondern nur das dem Knäckebrot ähnliche ungesäuertes Mazzen. Diese Erinnerung stärkt den Glauben, und stellt die Jüdinnen und Juden hinein in eine jahrtausendealte Befreiungstradition. Auch wenn zum zweiten Mal in Folge nur im kleinen Kreis gefeiert werden kann.

Für uns Christen beginnt heute mit dem Palmsonntag die Karwoche. Im Evangelium geht es um den Einzug Jesu in Jerusalem (Joh 12, 12-19). Das Volk begrüße ihn euphorisch: „Hosianna! Gelobt sei der da kommt im Namen des Herren!“ Wie in jedem Jahr erinnern wir uns in der kommenden Woche an die einzelnen Stationen auf Jesu Leidensweg – und daran wie schnell aus dem begeisterten „Hosianna!“  ein fanatische „Kreuziget ihn!“  wurde. In einer Woche feiern wir dann schon Ostern und damit die Auferstehung Christi. Und die Befreiung von allen Todesmächten. Auch wir erinnern uns und stellen uns so in eine lange Glaubenstradition. Oder wie wie der Predigttext für heute sagt: in eine Wolke von Glaubenszeugen.

Der Predigttext steht im Hebräerbrief in den Kapiteln 11 und 12. Ich lese Hebräer 11, 1-2 und Hebräer 12, 1-3 aus der Übersetzung der Basisbibel:

Der Glaube ist ein Festhalten an dem, worauf man hofft –ein Überzeugtsein von Dingen, die nicht sichtbar sind. Aufgrund ihres Glaubens hat Gott den Alten das gute Zeugnis ausgestellt.

Wir sind also von einer großen Mengen von Zeugen wie von einer Wolke umgeben. Darum lasst uns alle Last abwerfen, besonders die der Sünde, in die wir uns so leicht verstricken. Dann können wir mit Ausdauer in den Kampf ziehen, der vor uns liegt. Dabei wollen wir den Blick auf Jesus richten. Er ist uns im Glauben vorausgegangen und wird ihn auch zur Vollendung führen. Er hat das Kreuz auf sich genommen und der Schande keine Beachtung geschenkt.
Dies tat er wegen der großen Freude, die vor ihm lag: Er sitzt auf der rechten Seite von Gottes Thron. Denkt doch nur daran,welche Anfeindungen er durch die Sünder ertragen hat.Dann werdet ihr nicht müde werden und nicht den Mut verlieren.

Im heutigen Predigttext werden nach den ersten beiden Versen 38 Verse ausgelassen. Beginnend mit der Schöpfung und Adam über Abraham und Sarah, Isaak und Jakob bis zu Mose und den Makkabäern führt wird eine lange Reihe von Glaubenszeugen aufgeführt -  man könnte sagen „all die glaubenden Alten“. Sie bilden die Wolke der Zeugen, von der dann im Weiteren die Rede ist. Auch hier werden Mose, Pessach und die Befreiung aus Ägypten erwähnt.

Solche Erinnerungen sind kein Selbstzweck. Sie sollen uns stärken – besonders in schwierigen Zeiten, wie jetzt in dieser anstrengenden Pandemiezeit. Wir sollen nicht müde werden und nicht den Mut verlieren. All die aufgeführten Menschen sind Zeugen dafür, dass Gott Freiheit und nicht Knechtschaft für uns will. Dass wir dem, was augenscheinlich unser Leben bestimmt, eben nicht auf Gedeih und Verderb ausgeliefert sind.
Es gibt eine Wahrheit, die weit über das hinausgeht, was wir messen und mit unseren wissenschaftlichen Methoden beweisen können. Mehr als das, was unsere Lebenskraft mit Beschlag belegt. Ich stimme dem Autor des Hebräerbriefes zu, dass diese Wahrheit genauso real ist, wie all das, was wir mit wissenschaftlichen Methoden beweisen können. Aber diese Wahrheit lässt sich nicht wissenschaftlich exakte Versuchsreihen beweisen. Für sie stehen Zeuginnen und Zeugen aus allen Zeiten. Bekannte und unbekannte Gläubigen. Darunter auch solche, die weder evangelisch noch christlich sind. Wir sind eingeladen auch gegenseitig Zeugen für so einen Glauben zu sein.

Ein Zeugnis, das mich in der letzten Woche ermutigt hat, war ein humorvolles Gedicht, das Anno Meeves aus Fleckeby in einer WhatsApp-Gruppe veröffentlicht hat. Ich veröffentliche das Gedicht hier mit Erlaubnis der Autorin:

„Gute und auch schlechte Zeiten / gab‘s immer schon in uns‘ren Breiten. / Nun begleitet uns ein fieses Teil / eine viel zu lange Weil! / Obwohl so brav wir alle sind / verbreitet sich das Teil geschwind!! / Doch wir können manches tun, / und impfen macht uns bald immun. / Auch werden wir in schönen Ecken / mit Frühlingsduft uns gut verstecken!/ Obwohl Corona schwer auf Trab, / uns trifft er nicht, da prallt er ab./ das glaubt ganz fest mit lieben Grüßen eure Anno“

Glauben ist Kraftquelle, gerade wenn unser Leben zu einem Kampf wird. Aber wir müssen die Kämpfe unseres Lebens nicht aus eigener Kraft bestehen. Auch nicht aus eigener Glaubenskraft.
Wir dürfen unsere Last abwerfen, all die Sorgen um andere und unsere Welt und um uns selbst. Seit dem Auszug aus Ägypten wissen wir: Wir sollen frei sein, von all dem worin wir uns verstricken. Und Jesu Auferstehung ist ein Zeugnis dafür, dass diese Freiheit auch angesichts des Todes gilt. Uns wird Ausdauer zugesagt für unsere Kampf um Gerechtigkeit, um Frieden im Kleinen wie im Großen und um die Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen. Wir werden sie brauchen.
Mögen wir dabei von der großen Freude angesteckt werden, die auch Jesus die Kraft für einen Weg gab.

Der Friede Gottes, der höher ist als alle menschliche Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.

 

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