Predigt Estomihi

Predigt am Sonntag Estomihi

Die Gnade unseres Herren Jesus Christs und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen.

Liebe Gemeinde,

haben Sie sich schon Gedanken gemacht, wie sie in diesem Jahr fasten und worauf Sie verzichten wollen? Wenn ja, sind Sie damit nicht allein. Obwohl coronabedingt Karneval und Fastnacht ausfallen mussten, haben viele Menschen die Fastenzeit im Blick: Mehr als 50% der Befragten sollen bei einer Umfrage geantwortet haben, dass sie in diesem Jahr während der Fastenzeit im Frühjahr auf etwas verzichten wollen. Häufig wurden Alkohol, Süßigkeiten oder Fleisch genannt. aber auch der Umgang mit sozialen Medien. Manche legen sogar eine Fastenkur ein, bei der sie für eine kürzere Zeit ganz auf feste Nahrung verzichten. Grund ist zumeist die eigene Gesundheit oder die bewusste Neugestaltung des eigenen Lebens -  sozusagen ein Reset.

Die Wurzeln des Fastens liegen in den Religionen. Auch heute geben 5 % der Befragten an, aus religiösen Gründen zu fasten. Häufig wurde gefastet um die Gottheit gnädig zu stimmen.
Christen orientieren sich an den 40 Tagen, die Jesus nach seiner Taufe am Jordan in der Wüste fastete. Deswegen wird zwischen Aschermittwoch und Ostern auf Alkohol und Fleisch verzichtet und es gibt in vielen Kirchen klare Regeln, was wann verboten ist. So soll an das Leiden und Sterben Christi gedacht werden.
Seit der Reformation wird das Fasten bei uns in der evangelischen Kirche nicht mehr als Gebot angesehen, mit dem wir uns die Zuwendung Gottes verdienen könnten oder müssten. Aber es bleibt eine Tradition, um sich mit dem Leiden Christi zu verbinden und auf Ostern vorzubereiten. Dabei können -  und müssen - wir evangelischen Christen selbst überlegen und entscheiden, wie wir die Passionszeit gestalten wollen.

Eine Hilfe dabei ist 7 Wochen ohne – die Fastenaktion der Evangelischen Kirche. Sie soll eine Neuorientierung ermöglichen. In diesem Jahr ist das Motto „Spielraum – sieben Wochen ohne Blockaden“. Dazu gibt es einen Fastenkalender und am kommenden Sonntag, dem 21. Februar um 9 Uhr können Sie im ZDF den Eröffnungsgottesdienst zu dieser Aktion sehen. Auf unserer Website werde ich zu jedem Mittwoch einen Fastenimpuls zum jeweiligen Wochenthema einstellen.

Mitten hinein in unsere Fastenvorbereitungen ertönt die Predigttext für den heutigen Sonntag wie der warnende Ton eines Nebelhorns. Ich lese aus dem Buch Jesaja i 58. Kapitel die Verse 1 bis 9 a aus der Einheitsübersetzung:

Rufe aus voller Kehle, halte dich nicht zurück! Erhebe deine Stimme wie ein Widderhorn! Halt meinem Volk seine Vergehen vor und dem Haus Jakob seine Sünden!
2 Sie suchen mich Tag für Tag und haben daran Gefallen, meine Wege zu erkennen. Wie eine Nation, die Gerechtigkeit übt und vom Recht ihres Gottes nicht ablässt, so fordern sie von mir gerechte Entscheide und haben an Gottes Nähe Gefallen.
3 Warum fasten wir und du siehst es nicht? Warum haben wir uns gedemütigt und du weißt es nicht? Seht, an euren Fasttagen macht ihr Geschäfte und alle eure Arbeiter treibt ihr an.
4 Seht, ihr fastet und es gibt Streit und Zank und ihr schlagt zu mit roher Gewalt. So wie ihr jetzt fastet, verschafft ihr eurer Stimme droben kein Gehör.
5 Ist das ein Fasten, wie ich es wünsche, ein Tag, an dem sich der Mensch demütigt: wenn man den Kopf hängen lässt wie eine Binse, wenn man sich mit Sack und Asche bedeckt? Nennst du das ein Fasten und einen Tag, der dem HERRN gefällt?
6 Ist nicht das ein Fasten, wie ich es wünsche: die Fesseln des Unrechts zu lösen, die Stricke des Jochs zu entfernen, Unterdrückte freizulassen, jedes Joch zu zerbrechen?
7 Bedeutet es nicht, dem Hungrigen dein Brot zu brechen, obdachlose Arme ins Haus aufzunehmen, wenn du einen Nackten siehst, ihn zu bekleiden und dich deiner Verwandtschaft nicht zu entziehen?
8 Dann wird dein Licht hervorbrechen wie das Morgenrot und deine Heilung wird schnell gedeihen. Deine Gerechtigkeit geht dir voran, die Herrlichkeit des HERRN folgt dir nach.
9 Wenn du dann rufst, wird der HERR dir Antwort geben, und wenn du um Hilfe schreist, wird er sagen: Hier bin ich.

Es ist kein wirkliches Fasten, wenn ihr nur an Euch selbst denkt, ruft uns der Prophet entgegen. Ihr verpasst etwas wesentliches, wenn es euch nur um eure Gesundheit und eure Lebensführung geht. Wenn Euer Fasten nur ein weiterer Baustein zur Selbstoptimierung ist!

Die ursprünglichen Hörer und Leserinnen dieses Textes vor zweieinhalbtausend Jahren haben das Fasten nicht aus seine gesundheitlichen und Lifestyle – Aspekte reduziert. So etwas hat es damals gar nicht gegeben. Sie waren nach dem Exil in Babylon wieder nach Jerusalem zurück gekehrt, hatten den Tempel mühsam und zunächst wohl eher provisorische wieder aufgebaut und mit dem Tempelkult begonnen. Sie haben ehrlich versucht, sich mit ihrem Fasten Gott zu nähern und hatten Interesse daran Gottes Weg kennenzulernen – für uns heutige Kirchenmenschen, die wir mit dem Bedeutungsverlust des Glaubens kämpfen, wäre das traumhaft! Dennoch merkten die Menschen damals, dass ihr Fasten Gott nicht erreichte und ihnen ihr Fasten so nichts brachte. Und sie beschwerten sich darüber.
Die Antwort auf diese Beschwerden gab ihnen der Propht Jesaja.
Um dem abzuhelfen hätte es ihnen nichts gebracht, die Fastenauflagen zu verschärfen, mehr in Sack und Asche herumzulaufen und den Kopf hängen zu lassen – daran ließ der Prophet keinen Zweifel.

Das Problem lag woanders: Auch während der Fastentage waren die Gläubigen mit ihren eigenen Geschäften beschäftigt und setzten ihre eigenen Interessen gegebenenfalls auch mit Gewalt durch. Sie nutzten das Zusammentreffen, um bei Armen Schulden einzutreiben und gaben ihren Knechten und Mägden keine Gelegenheit zur Andacht, sondern beuteten sie brutal aus. Es fehlte an Gerechtigkeit. Und an der Bereitschaft auch etwas für die Armen und Unterdrückten zu tun.

So viel sich in den zweieinhalbtausend Jahren Jesaja geändert hat, dieses Problem ist nach wie vor aktuell: Wenn durch unserem Verzicht – in diesem Jahr kommt ja auch noch der durch Corona bedingte dazu – wirklich weiterkommen und etwas verändern wollen, geht das nur, wenn wir unsere Mitmenschen und die Natur im Blick behalten. Zur Frage: „Wie gestalte ich diese Fastenzeit?“ gehören dann auch die Fragen wie: „Wie gehe ich mit meinen Mitmenschen um? Wo kann ich Dinge kaufen, die unter fairen Bedingungen hergestellt werden? Wie kann ich Arme unterstützen? Was kann ich für die Zukunft unseres Planeten tun?“

Egal welche Form wir für unsere Fastenzeit wählen: Wenn wir versuchen, das beim Fasten zu berücksichtigen -  dann sind sind wir nicht allein unterwegs:
Dann wird dein Licht hervorbrechen wie das Morgenrot und deine Heilung wird schnell gedeihen. Deine Gerechtigkeit geht dir voran, die Herrlichkeit des HERRN folgt dir nach.Wenn du dann rufst, wird der HERR dir Antwort geben, und wenn du um Hilfe schreist, wird er sagen: Hier bin ich.

Ich wünsche Euch und Ihnen eine gesegnete Fastenzeit.

Der Friede Gottes, der höher ist, als alle Menschliche Vernunft, bewahren unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen

Letzte Aktualisierung: 24.04.2024 | Impressum | Datenschutzerklärung