Predigt für den 14. Sonntag nach Trinitatis

Predigt: Susanna Kschamer

Predigt

Die Gnade unserer Herren Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit Euch allen.

Komm, Herr Jesus sei Du unser Gast und segne, was Du uns bescheret hast

Ein beliebtes Tischgebet – und auch wenn regelmäßige Tischgebete aus dem Mode gekommen sind: dieses kennen noch erstaunlich viele. Und sei es nur von einer Karikatur. Wie zum Beispiel von der, bei der im ersten Bild Missionare in Afrika Löwen zu frommen Christen bekehren. Und im zweiten Bild ebendiese Löwen das Tischgebet sprechen, bevor sie die Missionare auffressen.

Doch was geschieht, wenn Gott tatsächlich zu Besuch kommt? Oder um es etwas konkreter zu machen: Jesus?

Der heutige Predigttext (aus Lukas 19, 1-10 in der Übersetzung der Gute Nachricht Bibel) ist einer jener Texte, die davon berichten:

Jesus ging nach Jericho hinein und zog durch die Stadt.
In Jericho lebte ein Mann namens Zachäus. Er war der oberste Zolleinnehmer in der Stadt und war sehr reich.
Er wollte unbedingt sehen, wer dieser Jesus sei. Aber er war klein und die Menschenmenge versperrte ihm die Sicht.
So lief er voraus und kletterte auf einen Maulbeerfeigenbaum, um Jesus sehen zu können; denn dort musste er vorbeikommen.
Als Jesus an die Stelle kam, schaute er hinauf und redete ihn an: »Zachäus, komm schnell herunter, ich muss heute dein Gast sein!«
Zachäus stieg schnell vom Baum und nahm Jesus voller Freude bei sich auf.
Alle sahen es und murrten; sie sagten: »Bei einem ausgemachten Sünder ist er eingekehrt!«
Aber Zachäus wandte sich an den Herrn und sagte zu ihm: »Herr, ich verspreche dir, ich werde die Hälfte meines Besitzes den Armen geben. Und wenn ich jemand zu viel abgenommen habe, will ich es ihm vierfach zurückgeben.«
Darauf sagte Jesus zu ihm: »Heute ist dir und deiner ganzen Hausgemeinschaft die Rettung zuteil geworden! Auch du bist ja ein Sohn Abrahams.
Der Menschensohn ist gekommen, um die Verlorenen zu suchen und zu retten.«

Diese Geschichte ist den meisten Christinnen und Christen bekannt und vertraut, oft schon aus dem Kindergottesdienst. Den wenigsten hier dürfte sie neu sein. Deswegen lade ich Sie und Euch heute ein sich der Geschichte von Zachäus auf eine besondere Weise zu nähern.

Kennen Sie das, dass Sie bei Hören einer Geschichte in diese Geschichte eintauchen, sich mit einer oder mehreren handelnden Personen oder Gruppen identifizieren?  Und so auch etwas über sich selbst erfahren können? Dazu möchte ich Sie und Euch heute einladen

Ich werde aus der Perspektive der drei beteiligten Parteien einen Blick auf das Geschehen werden.
Wo findest Ihr Euch, wo finden Sie sich heute wieder?

Da ist zunächst einmal die Menschenmenge:
Sie hat ihr Urteil gesprochen: Zachäus ist ein Zöllner, also einer, der mit der verhassten römischen Besatzungsmacht zusammenarbeitet.  Dass er sich dabei auch noch dumm und dämlich verdient macht die Sache nicht besser. Schon der Reichtum allein macht ihn suspekt.. Wie der zu seinem Reichtum gekommen sein muss ist denen dann auch schnell klar: Bestimmt betrügt er uns, seine Volksgenossen! Und spätestens jetzt ist auch klar, dass ein Sünder ist.  „Schublade auf, Zachäus rein – Schublade zu“ Da brauchte es dann noch nicht mal eine Absprache, unausgesprochen war allen klar: „Den lassen wir nicht durch!“ Als später bekannt wurde, dass Jesus ausgerechnet bei Zachäus einkehrte,  war die Empörung groß:  „Das hätten wir nie gedacht!.Unmöglich! Kann es eventuell sogar sein, dass Jesus mit ihm unter einer Decke steckt?“  Jedenfalls kann sich kaum jemand aus der Volksmenge vorstellen, dass Zachäus das unrechtmäßig eingenommene Geld wirklich vierfach an die Geschädigten zurück erstatten wird. Und bei der Unterstützung der Armen wird es sich sicher auch nur um läppische Almosen handeln.

Es gibt übrigens noch eine zweite Möglichkeit, die Geschichte von Zachäus aus dem Griechischen zu übersetzen: nach dieser Übersetzung wäre Zachäus schon immer ein Gerechter gewesen und hätte Jesus bei seinem Besuch berichtet, dass er schon die ganze Zeit zu viel eingenommenes Geld vierfach erstattet und die Armen großzügig unterstützt hat.  Dafür könnte sein Name sprechen. „Zachäus“ ist eine Abwandelung des hebräischen Worte für Gerechtigkeit.
Sollte diese zweite Möglichkeit zutreffen – die Menschenmenge hätte davon garantiert nichts mitbekommen.
Aus der Postion der Menge heraus ist es kaum möglich sich von dem Geschehen und der verändernden Kraft Gottes berühren zu lassen.

Als nächstes fällt mein Blick auf Zachäus:
Er will Jesus unbedingt sehen – wenigstens das! Davon lässt er sich weder durch seine geringe Körpergröße, noch durch die Ablehnung und Kränkung durch seiner Mitmenschen abbringen. Er verschwendet keine Zeit und Kraft für ein Lamento über die Ungerechtigkeit der Menschen oder seine Schwierigkeiten als kleinwüchsiger Mensch. Er sucht eine Möglichkeit seinem Ziel näher zu kommen und findet sie: Er klettert auf einen Baum.
Auch vorher muss er schon ein tatkräftiger Mensch gewesen sein. Nicht umsonst wird er als „Oberzöllner“ bezeichnet. Ein Titel, den es sonst im Griechischen gar nicht gibt. Nicht auszuschließen, dass er seinen Reichtum zum einem erheblichen Teil auch seiner Tüchtigkeit verdankt.
Nun sitzt er also auf dem Baum. Er kann alles sehen und sitzt wegen des dichten Laubwerkes trotzdem nicht auf dem Präsentierteller. Sein Plan geht auf: Jesus kommt tatsächlich direkt an dem Baum vorbei, auf dem Zachäus sitzt.

Doch auf einmal geschieht etwas, wo mit er nicht gerechnet hätte: Er sieht nicht nur – er wird auch gesehen. Jesus blickt zu ihm auf, spricht ihn an und erweist ihm die Ehre zu ihm zu Besuch zu kommen. Jesus zieht nicht schnell weiter, sondern unterbricht seine Reise

Zachäus reagiert sofort. Er läuft nach Hause um das Festmahl vorzubereiten, setzt dafür ein, was ihm gegeben ist: sein geräumiges Haus und die gut gefüllte Speisekammer. Eine Lebenssituation, die es einem erlaubte spontan Gäste zu empfangen. Damals wohl noch weniger eine Selbstverständlichkeit als heute. Und er nutzt die Gelegenheit sich zu verändern : Er sucht und findet einen faireren und gerechteren Umgang mit seinem Beruf. Einen, der erst nimmt, dass auch er zum Volk Gottes gehört.
  Oder falls wir der anderen Übersetzungsalternative folgen wollen: er nutzt seine Chance und den würdigen Rahmen um auf seine Gerechtigkeit hinzuweisen und für sich selbst einzustehen.

Zuletzt will ich unseren Blick auf Jesus richten. Auch wenn es nur ein Gedankenexperiment ist: Kann und darf ich mich mit ihm identifizieren? Zumindest zur Nachfolge sind wir aufgerufen – warum also nicht?

Jesus ist recht wenig aktiv: er zieht durch Jericho, so wie es zu erwarten war. Er nimmt wahr, was um ihn herum passiert. Er hört hin, was gesprochen wird – vielleicht hat er dabei auch den Namen von Zachäus aufgeschnappt. Er sieht hin – mit einem Blick, der nicht nur Zachäus auf dem Baum bemerkt, sondern auch erkennt, was mit ihm los ist. Und in dem er sich selbst bei Zachäus einlädt, eröffnet er Zachäus ohne weitere Worte den Raum für eine große Veränderung.
Der Menge gegenüber aber verhält er sich anders. Ihnen gegen verteidigt er Zachäus und erklärt, sein Verhalten. Diese Menschen brauchen deutliche Worte. Nur die können sie aus ihren eingefahrenen Gleisen herausholen.

Eine Geschichte mit drei Seiten. Eine alte Geschichte. Eine, mit der wir uns verbinden können, die uns berühren kann. Auf welcher Seite stehen Sie, steht Ihr heute morgen? Was berührt Sie und Dich?
Möge auch für uns gelten, was Jesus über Zachäus sagte: „Heute ist dir und deiner ganzen Hausgemeinschaft die Rettung zuteil geworden!“ Oder , im schönen Lutherdeutsch gesagt: „Heute ist diesem Hause Heil widerfahren!“.

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle menschliche Vernunft bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus.

 

 

Letzte Aktualisierung: 29.03.2024 | Impressum | Datenschutzerklärung