Predigt für Karfreitag
Predigt: Susanna Kschamer Orgel: Tobias Lehmann
Orgel: Vorspiel
Predigt
Die Gnade unsers HERRN Jesu Christi und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des heiligen Geistes sei mit uns allen! Amen
Liebe Leserin, lieber Leser,
Karfreitag – das ist in jedem Jahr der Blick auf das Kreuz. Der Blick auf das Leiden und Sterben Jesu. Auch wenn wir den Karfreitag in diesem Jahr nicht in unseren Kirchen begehen können, das Kreuz dort nicht physikalisch mit unseren Augen sehen – dieses Bild bleibt - und damit die Frage, „Was hat das mit uns zu tun? Mit mir?“
Was hat Jesu Sterben am Kreuz mit uns zu tun, in den Zeiten von Corona? In einer Zeit, wo alles anders ist, als sonst.
In einer Zeit, in der zugleich viele Missstände und Verwicklungen besonders deutlich zu Tage treten; wo sich manches rächt, was schon vorher schlecht war.
Ist da der Blick auf das Kreuz nicht eine zusätzliche Zumutung? Eine, die sich mancher gläubige Christ vielleicht sogar als Bußübung auferlegt, um in diesen bedrohlichen Zeiten nichts zu versäumen? Oder lässt sich hier Trost und Hilfe finden?
Eine sehr beeindruckende Darstellung der Kreuzigung findet sich auf dem Isenheimer Altar.*
Er stammt aus dem Anfang des 16. Jahrhunderts und wurde für die Kirche eines Spitals gemalt, in dem Menschen behandelt wurden, die an Antoniusfieber litten und oft auch starben. Die schockierend realistische Darstellung des sterbenden Christus zeigt ihn bei genauerem Hinsehen als einen, der ebenfalls Symptome des Antoniusfiebers hat. Jeder, der in das Hospital aufgenommen wurde, sah dieses Bild. Und er konnte für sich daraus ableiten: „Ich leide hier nicht alleine. Christus ist an meiner Seite.“
Nach Ende des 1. Weltkriegs erlangte das Bild durch in Europa verbreitete Drucke größere Bekanntheit. Nach den bis dahin unvorstellbaren Gräueln dieses Krieges waren viele Menschen von diesem Bild sehr beeindruckt. Sie fanden ihre Leiden und ihre Erschütterung in dieser Kreuzesdarstellung ausgedrückt. Thomas Mann war einer unter ihnen.
Wie sehen Bilder des Leidens und Sterbens Jesu aus, die unsere Situation heute unter den Bedingungen von Corona darstellen?
Ich denke an eine Frau aus einem unserer Dörfer, die ohne ihre Angehörigen sterben mußte, weil die wegen Corona nicht in die Klinik kommen durften.
An Menschen, die nicht optimal behandelt werden können und nun sterben müssen, weil auch in hoch entwickelten Ländern kein Platz auf der Intensivstation mehr frei ist.
An so viele unter uns, die die Einsamkeit und das Eingesperrtsein nur noch schwer aushalten können. Die das Gefühl haben nicht wirklich leben zu dürfen.
An Frauen und Männer, die Angst um ihre berufliche und wirtschaftliche Existenz haben, Sorgen darum, wie es überhaupt weiter geht.
An die Ärmsten überall auf unserer Welt, die keinen Ort haben, an den sie sich zurückziehen können, keine Chance sich von dem Virus zu schützen.
Wie sähe eine solches Bild aus? Was bedeutet das Kreuz heute für uns?
Ich lese den Predigttext aus 2. Korinther 5, 14 – 21 in der Übersetzung der Basisbibel**:
Denn es ist die Liebe von Christus, die uns antreibt.
Wir sind nämlich zu der Überzeugung gelangt:
Wenn einer für alle gestorben ist, dann sind damit zugleich alle gestorben.
15 Christus ist für alle gestorben, damit die Lebenden nicht länger nur für sich selbst leben.
Sie sollen jetzt vielmehr ganz für den leben, der für sie gestorben ist und auferweckt wurde.
16 Daher beurteilen wir von nun an niemanden mehr nach menschlichen Maßstäben.
Auch Christus nicht, selbst wenn wir ihn früher nach menschlichen Maßstäben beurteilt haben.
17 Wenn jemand zu Christus gehört, gehört er schon zur neuen Schöpfung.
Das Alte ist vergangen. Seht doch! Etwas Neues ist entstanden!
18 Das alles kommt von Gott. Durch Christus hat er uns mit sich versöhnt.
Und er hat uns den Dienst übertragen, die Versöhnung zu verkünden.
19 Ja, in Christus war Gott selbst am Werk, um die Welt mit sich zu versöhnen.
Er hat den Menschen ihre Verfehlungen nicht angerechnet.
Und uns hat er sein Wort anvertraut, das Versöhnung schenkt.
20 Wir treten also anstelle von Christus auf.
Es ist, als ob Gott selbst die Menschen durch uns einlädt.
So bitten wir anstelle von Christus: Lasst euch mit Gott versöhnen!
21 Gott hat Christus, der keine Sünde kannte,an unserer Stelle als Sünder verurteilt.
Denn durch Christus sollten wir vor Gott als gerecht dastehen.
Auch 2000 Jahre nach Christus sind das Leiden und das Böse nicht aus unserer Welt verschwunden. Leider nicht. Und zugleich gilt: Tod und Leiden können uns nicht von Jesus trennen. Und auch unsere Schuld und unser Versagen nicht.
Wir können den Karfreitag nicht übergehen und direkt zu Ostern springen. Wir müssen den Ruf „Mein Gott, mein Gott warum hast du mich verlassen!“ aushalten, bevor wir in den Jubelruf der Frauen am leeren Grab einstimmen können: „Der Herr ist auferstanden, er ist wahrhaftig auferstanden!“.
Es wird eine Zeit nach Corona geben, so Gott will auch mit einer wirksamen Impfung und guten Medikamenten. Aber auch hier gilt: wir können die Zeit bis dahin nicht überspringen.
Aber wir sind nicht allein. Gott schaut nicht aus sicherer Entfernung zu. Auch im Leiden und Sterben ist Christus und damit auch Gott an unserer Seite. Mehr noch: es ist schon die neue Zukunft angelegt, wie ein Keim in der Erde, der noch unsichtbar ist: „Wenn jemand zu Christus gehört, gehört er schon zur neuen Schöpfung. Das Alte ist vergangen. Seht doch! Etwas Neues ist entstanden!“ Wir sind eingeladen, uns der Liebe Christi zu öffnen und an seiner Seite diese schwierige Zeit durchzustehen: „Lasst Euch mit Gott versöhnen!“
Und der Friede Gottes, der höher ist, als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen
Gesamt: Vorspiel + Predigt