Predigt für Pfingssonntag

Predigt: Susanna Kschamer

Predigt

Die Gnade unseres Herren Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heilgien Geistes sei mit uns allen.

Ich lese den Predigttext aus Apostelgeschichte 2, 1-21, die Pfingstgeschichte.

1 Und als der Pfingsttag gekommen war, waren sie alle an einem Ort beieinander.
2 Und es geschah plötzlich ein Brausen vom Himmel wie von einem gewaltigen Wind und erfüllte das ganze Haus, in dem sie saßen.
3 Und es erschienen ihnen Zungen zerteilt, wie von Feuer; und er setzte sich auf einen jeden von ihnen,
4 und sie wurden alle erfüllt von dem heiligen Geist und fingen an, zu predigen in andern Sprachen,* wie der Geist ihnen gab auszusprechen.
5 Es wohnten aber in Jerusalem Juden, die waren gottesfürchtige Männer aus allen Völkern unter dem Himmel.
6 Als nun dieses Brausen geschah, kam die Menge zusammen und wurde bestürzt; denn ein jeder hörte sie in seiner eigenen Sprache reden.
7 Sie entsetzten sich aber, verwunderten sich und sprachen: Siehe, sind nicht diese alle, die da reden, aus Galiläa?
8 Wie hören wir denn jeder seine eigene Muttersprache?
9 Parther und Meder und Elamiter und die wir wohnen in Mesopotamien und Judäa, Kappadozien, Pontus und der Provinz Asien,
10 Phrygien und Pamphylien, Ägypten und der Gegend von Kyrene in Libyen und Einwanderer aus Rom,
11 Juden und Judengenossen, Kreter und Araber: wir hören sie in unsern Sprachen von den großen Taten Gottes reden.
12 Sie entsetzten sich aber alle und wurden ratlos und sprachen einer zu dem andern: Was will das werden?
13 Andere aber hatten ihren Spott und sprachen: Sie sind voll von süßem Wein.
14 Da trat Petrus auf mit den Elf, erhob seine Stimme und redete zu ihnen: Ihr Juden, liebe Männer und alle, die ihr in Jerusalem wohnt, das sei euch kundgetan, und laßt meine Worte zu euren Ohren eingehen!
15 Denn diese sind nicht betrunken, wie ihr meint, ist es doch erst die dritte Stunde am Tage;
16 sondern das ist’s, was durch den Propheten Joel gesagt worden ist (Joel 3,1-5):
17 “Und es soll geschehen in den letzten Tagen, spricht Gott, da will ich ausgießen von meinem Geist auf alles Fleisch; und eure Söhne und eure Töchter sollen weissagen, und eure Jünglinge sollen Gesichte sehen, und eure Alten sollen Träume haben;
18 und auf meine Knechte und auf meine Mägde will ich in jenen Tagen von meinem Geist ausgießen, und sie sollen weissagen.
19 Und ich will Wunder tun oben am Himmel und Zeichen unten auf Erden, Blut und Feuer und Rauchdampf;
20 die Sonne soll in Finsternis und der Mond in Blut verwandelt werden, ehe der große Tag der Offenbarung des Herrn kommt.
21 Und es soll geschehen: wer den Namen des Herrn anrufen wird, der soll gerettet werden.”

Liebe Gemeinde,

„Was soll das werden?“ fragten sich die Menschen in Jerusalem damals, als sie Zeuginnen und Zeugen des des Pfingstereignisses wurden. Die einen waren schon beeindruck, aber wie sie das Gesehene einordnen sollten, wussten sie nicht. Anderen hatte schnell eine Erklärung zur Hand, um sich mit der Angelegenheit nicht weiter beschäftigen zu müssen: Die sind ja bloß betrunken, oder wie in der Bibel schöner formuliert ist: „Sie sind voll von süßem Wein.“

„Was soll das werden?“ „Wie soll das weiter gehen?“ fragen sich viele Menschen angesichts der Corona-Krise und ihren Auswirkungen auf allen Bereichen unseres Lebens - hier in Deutschland und weltweit.

Auch hier reagieren die einen mit – sich selbst und andern – offen eingestandener Ratlosigkeit und vorsichtigem Ringen um den richtigen Weg. Andere tendieren zu einfachen Erklärungen, mit denen man sich das Problem zumindest erst einmal von Hals halten kann: „Ist ja bloß eine heftigere Grippe“ – oder „die Krise ist im wesentlichen verursacht von bestimmten Kreisen, die damit ihre finsteren Interessen verfolgen.“

Heute möchte ich mit Ihnen und Euch zusammen darüber nachdenken, was Pfingsten für uns in unserer Situation bedeuten kann:

Nun sind Pfingsten und die Corona–Pandemie zwei völlig unterschiedliche Ereignisse. Mit der Ausschüttung des Heilgen Geistes will Gott die Menschen und seine ganze Schöpfung retten und vollenden. Die derzeitige Pandemie hingegen wird ausgelöst von einem winzigen Virus, der noch nicht einmal ein eigenständiges Leben hat, geschweige denn einen eigenen Willen. 

Schauen wir zunächst auf das Fest, an dem die Ausgießung des Heiligen Geistes statt fand: Fünfzig Tage nach Passa (und Ostern) feiern Juden und Jüdinnen die Weizenernte. Ob die Jünger sich bei diesem Schawuotfest daran erinnert haben, dass Jesus sein Schicksal mit dem eines Weizenkorns verglichen hat? „Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und erstirbt, bleibt es allein; wenn es aber erstirbt, bringt es viel Frucht.“ Und ob sie dann den Empfang des Heiligen Geist im spirituellen als diese „Frucht“ verstanden haben?

Im Laufe der Zeit bekam dieses jüdische Erntefest noch eine weitere Bedeutung: man gedachte an den erneuten Empfang der 10 Gebote, nachdem Mose der ersten Tafeln vor Wut und Enttäuschung über den Tanz um das Goldene Kalb zerschmettert hatte. In jüdischen Gemeinden lesen viele Menschen die ganze Nacht hindurch die Thora. Dabei werden die Gebote weniger als strenge Verbote aufgefasst, denn als Wegweiser hin zu einem guten Leben – und das können und sollen sie auch für uns Christen sein.

Die Jünger und Jüngerinnen feierten wie viele anderen Juden das jüdische Pfingstfest Schawuot in Jerusalem .  Auch Juden, die sonst anderswo im römischen Reich lebten, kamen aus diesem Anlass nach Jerusalem.  Auf Anweisung von Jesus hin hatten sich seine Jünger an einem (!) Ort versammelt. Pfingsten wurde eine gemeinsame Erfahrung und keine, die jeder für sich alleine gemacht hätte. Der konkrete Ort war nicht weiter spektakulär: Es war nicht im Tempel, in einer Kirche oder auf einem besonderen Berg, sondern schlicht in einem Raum im Obergeschoss eines Hauses.

Das Schawuot- Fest hatten die Jüngerinnen und Jünger schon ihr Leben lang in jedem Frühsommer gefeiert. Aber dieses Mal geschah etwas, womit niemand gerechnet hätte: und was sich nur schwer in Worte fassen lässt: es war wie ein gewaltiges Brausen, wie Feuerzungen auf den Anwesenden – allen ging ein Licht auf und sie verstanden, was Jesus gewollt hat. Auf einmal begriffen sie das Evangelium von Jesus und konnten die gute Nachricht weitergeben. Die Jünger waren zumeist Fischer und Handwerker, sie sprachen ihren galiläischen Dialekt, mit dem sie in Jerusalem als Hinterwäldler erkannt wurden, wenn sie nur den Mund aufmachten. Die Gelehrtensprache Griechisch oder Latein, die Sprache der herrschenden Römer, beherrschten sie nicht. Schon deshalb hätte ihnen normaler Weise kaum jemand zugehört. Aber nun war das anders: sie trauen sich zu sprechen und wurden sogar von Menschen verstanden, die eigentlich andere Sprachen sprachen. Es kam nicht mehr auf den Bildung und den sozialen Status an.

Petrus deutet das Geschehene mit Hilfe einer Weissagung des Propheten Joel: Gottes Geist ist es, der Menschen aller Generationen ergreift und ihnen vermittelt, was Gott von ihnen will. Er bringt sie in Kontakt mit Gott und gibt ihnen Mut und Kraft. So ist es nun auch für Jesu Jünger und alle, die sich ihnen anschließen.

Joel spricht in seiner Prophezeiung auch von erschreckenden Zeichen – da wird die Sonne in Finsternis verwandelt und Mond sieht aus, wie in Blut getaucht. Schockierende Aussichten für die Menschen damals, die ja keine astrononmischen Kenntnisse hatten. Auch in unserer Zeit geschehen Dinge, die uns erschrecken: die Corona – Pandemie und ihre Folgen gehören dazu,  aber auch die menschengemachte Zerstörung von Klima und Natur, die ungerechte Verteilung des Reichtums dieser Welt, Kriege und gewalttätige Konflikte.

„Was soll das werden?“ Diese Frage kann uns so niemand beantworten. Doch das ist kein Grund zu resignieren.  Gott hat uns ist seinen Heilige Geist versprochen. Deswegen können wir den Mut haben genau hinzuschauen und nachzudenken, und einander weitersagen,  was wir verstanden haben. Wir können uns trauen einander zuzuhören und miteinander um den rechten Weg zu ringen. Auch wenn es schwierig wird,  haben wir es nicht nötig Sündenböcke zu suchen und ins Schwarz-Weiß-Denken zu verfallen. Denn Gott gibt uns nicht Geist der Furcht, der sondern Geist der Kraft, die Liebe und der Besonnenheit. Er gibt uns seinen Heiligen Geist. Amen.

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle menschliche Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinnen in Christus Jesus. Amen

 

 

 

 

Letzte Aktualisierung: 29.03.2024 | Impressum | Datenschutzerklärung