Predigt zum Altjahresabend 2020 über 2. Mose 13, 20-22

Die Gnade unseres Herren Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit uns allen. Amen

Ein schwieriges Jahr geht zu Ende: ein Jahr in dem sich so vieles anders entwickelt hat, als wir am Anfang des Jahres gedacht haben. Viele unserer Planungen mussten wir verändern oder sogar über den Haufen werfen– nicht nur hier vor Ort, sondern in der ganzen Welt. Es begann vor ziemlich genau einem Jahr: Am 1. Januar 2020 schlossen chinesischen Behörden den Wildtiermarkt in Wuhan, weil sich von dort aus eine neuartige Lungenerkrankung verbreitete. Ende Januar gab es den ersten Erkrankten in Deutschland. Bald mussten wir miterleben, wie immer mehr Menschen krank wurden und viele starben. Mitte März wurde deswegen das öffentliche Leben heruntergefahren, um der Weiterverbreitung des Virus‘ entgegenzuwirken. So etwas haben wir noch nicht erlebt. Nach Lockerungen und einem relativ entspannten Sommer, mussten die Maßnahem zum Herbst hin wieder verschärft und auch Weihnachten und Silvester sollten nur im ganz kleinem Rahmen gefeiert werden.

Fast das ganze Jahr lang bestimmte das Coronavirus unser Leben. Es gibt allen, was geschah, einen anderen Charakter: Wie die Farbe der Wände einem Raum oder wie der Rhythmus einem Musikstück. Es gibt keinen Bereich, der nicht davon betroffen war: Alltag und Feste, Berufstätigkeit und Familienleben – allem drückte die Pandemie ihren Stempel auf.
Zugleich haben wir unser Leben unter den veränderten Bedingungen weiter gelebt. Wir mussten und wollten uns den Herausforderungen stellen, die das Leben für jeden und jede von uns mit sich brachte Wir hatten weiterhin unsere persönlichen Ziele und Träume. Manches lief gut, anderes nicht. Wie am Ende eines jeden Jahres lade ich Sie und Euch deswegen auch in diesem Jahr ein zu bedenken, was war wichtig war, wo es Grund zu Freude und Dankbar gibt, aber auch, was weh getan hat und noch immer schmerzt. Der letzte Tag des Jahres soll auch in diesem Jahr Gelegenheit sein Bilanz zu ziehen.

Mit dem neuen Jahr wird sich allerdings außer dem Datum nichts Grundlegendes ändern. Die Herausforderungen bleiben, und, zumindest auf die Pandemie bezogen, ist mit einem baldigen Ende nicht zu rechnen. Wir brauchen weiterhin Ausdauer, Kraft und Gottvertrauen.

Ich möchte dazu den Predigttext für den Altjahresabend 2020, der im 2. Buch Mose im 13. Kapitel steht, bedenken. Das Volk Israel war endlich aus der Sklaverei in Ägypten befreit worden und machte sich auf den Weg in das gelobte Land. Wie lang und beschwerlich der Weg sein würde, war noch nicht abzusehen. Zunächst einmal waren sie auf dem Weg in Richtung Wüste. Ich lese die Verse 20-22:
So zogen sie aus von Sukkot und lagerten sich in Etam am Rande der Wüste. Und der HERR zog vor ihnen her, am Tage in einer Wolkensäule, um sie den rechten Weg zu führen, und bei Nacht in einer Feuersäule, um ihnen zu leuchten, damit sie Tag und Nacht wandern konnten. Niemals wich die Wolkensäule von dem Volk bei Tage noch die Feuersäule bei Nacht.

Ein langer Weg lag vor den Menschen. Einen Weg, den niemand kannte, und den sie deshalb allein nicht gefunden hätten. Er war nicht einfach, und er sollte 40 Jahre lang dauern. Doch Gott war mit seinem Volk auf dem Weg. Er schickte ihnen eine Wolkensäule am Tag und eine Feuersäule in der Nacht. Gehen mussten sie allerdings selbst. Ob sie die Zeichen Gottes immer erkennen konnten? Oder gab Diskussionen über den Weg?

Auch wir mussten im zu Ende gehenden Jahr einen unbekannten Weg gehen. Ich bin dankbar dafür, dass wir ihn als Gesellschaft im Große und Ganzen gemeinsam gehen konnten, solidarisch, besonnen und mit viel Disziplin. Obwohl der Weg zuweilen durch Versuch und Irrtum herausgefunden werden musste. Und auch, wenn es manche Diskussionen darüber gab und gibt, welche Maßnahmen richtig und welche Maßnahmen kontraproduktiv sind. Besonders wenn es um Maßnahmen ging, die Menschen viel abverlangten: Die Einsamkeit von Menschen, die in Krankenhäusern und Altenheimen waren und dort nicht oder nur wenig besucht werden durften (und dürfen), war nur schwer auszuhalten. Die Schließungen von Kindergärten und Schulen belastete viele Familie bis an die Grenze des Machbaren und zuweilen auch darüber hinaus. Der Shutdown gefährdete Firmen und Arbeitsplätze nicht nur im Handel, in der Veranstaltungs- und Kulturbranche und im Tourismus. Es war nicht einfach und wird es wohl auch im kommenden Jahr nicht werden.

Und Gott? Wo war er? Ich glaube, dass er auch mit uns auf dem Weg war und ist. Er hat uns Licht geschickt, wenn wir keine Hand mehr vor Augen sehen konnten. Auch in Gestalt von Menschen aus verschieden Berufen, die uns mit ihren klugen Gedanken und Erkenntnissen zu verstehen halfen, was um uns herum geschah.
Und wenn wir nicht mehr wussten, was wir zuerst tun sollten, hat er uns Orientierungszeichen geschickt. So wie damals die Wolkensäule in der Wüste. Auch das geschah oft in Gestalt von Menschen, die mal von denen, die tatkräftig mit anpackten. In den sogenannten systemrelevanten Berufen, aber auch weit darüber hinaus.
Um nicht missverstanden zu werden: Ich will die Corona-Maßnahmen nicht 1:1 mit dem Wirken Gottes identifizieren. Wie bei allem menschlichen Handeln sind auch Fehler gemacht worden. Aber die Vorstellung einiger weniger Christinnen und Christen und anderer Menschen, die hinter der Coronapandemie und den deswegen getroffenen Maßnahmen eine Verschwörung gottloser Mächte sehen, halte ich für falsch. Und in ihren Auswirkungen für sehr gefährlich. Ich glaube, dass Gott unser Engagement will, und dass er auch durch unser unvollkommenes Handeln wirkt. Dietrich Bonhoeffer hat das in seinem Glaubensbekenntnis so ausgedrückt:

Ich glaube,
dass Gott aus allem, auch aus dem Bösesten,
Gutes entstehen lassen kann und will.
Dafür braucht er Menschen,
die sich alle Dinge zum Besten dienen lassen.
Ich glaube,
dass Gott uns in jeder Notlage
soviel Widerstandskraft geben will,
wie wir brauchen.
Aber er gibt sie nicht im voraus,
damit wir uns nicht auf uns selbst,
sondern allein auf ihn verlassen.
In solchem Glauben müsste alle Angst
vor der Zukunft überwunden sein.
Ich glaube, dass auch unsere Fehler und Irrtümer nicht vergeblich sind, und dass es Gott nicht schwerer
ist, mit ihnen fertig zu werden, als mit unseren vermeintlichen Guttaten.
Ich glaube,
dass Gott kein zeitloses Fatum ist,
sondern dass er auf aufrichtige Gebete
und verantwortliche Taten wartet und antwortet.

So können wir das alte Jahr getrost zurücklassen und uns vertrauensvoll dem neuen Jahr mit all seinen Herausforderungen zuwenden. Um es noch einmal mit Dietrich Bonhoeffer zu sagen:
Von guten Mächten wunderbar geborgen erwarten wir getrost, was kommen mag. Gott ist mit uns am Abend und am Morgen und ganz gewiss an jedem neuen Tag.

Ich wünsche Ihnen und Euch einen guten Übergang in ein gesegnetes Jahr 2021 Ihre und Eure Pastorin Susanna Kschamer

Letzte Aktualisierung: 26.04.2024 | Impressum | Datenschutzerklärung