Predigt für den 14. Sonntag nach Trinitatis 4. September 2021

Die Gnade unseres Herren Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen.

Liebe Gemeinde,

Moralpredigten haben keinen guten Ruf. Zu lange haben wir und noch mehr die Generationen vor uns in einer Gesellschaft gelebt, in der Autoritätspersonen ihre Ermahnungen von oben herab auf die anderen herab prasseln ließen und den Hörenden jeder Widerspruch verboten war. Was der Landesherr, der Pastor, der Lehrer , der Chef oder auch der Vater sagte, dem hatte man zu folgen.  Und das auch, wenn gute Gründe dagegen sprachen. Das hat sich in den letzten gut 100 Jahren gründlich geändert. Und das ist auch gut so.  Schließlich profitieren beide Seiten von einem Gespräch auf Augenhöhe. Heute würde kaum jemand solche Anweisungen geben, wie sie der Apostel Paulus an seine Gemeinden schrieb. Doch die Auseinandersetzung mit ihnen lohnt sich nach wie vor. Eine Gebrauchsanweisung für unsere demokratischen Zeiten gibt Paulus im heutigen Predigttext selbst: Prüfet aber alles, das Gute behaltet.

Ich lese aus dem 1. Brief des Paulus an die Gemeinde in Thessaloniki aus Kapitel 5 die Verse 14-24 in der Züricher Übersetzung.

14 Wir reden euch aber zu, liebe Brüder und Schwestern: Weist die zurecht, die sich an keine Ordnung halten, ermutigt die Verzagten, steht den Schwachen bei, habt Geduld mit allen! 15 Seht zu, dass keiner dem andern Böses mit Bösem vergelte. Jagt vielmehr allezeit dem Guten nach, füreinander und für alle. 16 Freut euch allezeit, 17 betet ohne Unterlass, 18 in allem sagt Dank; das ist der Wille Gottes, in Christus Jesus, für euch. 19 Den Geist bringt nicht zum Erlöschen! 20 Prophetische Rede verachtet nicht! 21 Prüft aber alles, das Gute behaltet! 22 Meidet das Böse in jeder Gestalt! 23 Er aber, der Gott des Friedens, heilige euch durch und durch; Geist, Seele und Leib mögen euch unversehrt und untadelig erhalten bleiben bis zur Ankunft unseres Herrn Jesus Christus. 24 Treu ist, der euch ruft: Er wird es auch tun.

Eine ganze Schatzkiste voller Anregungen. Viele Themen werden angesprochen, über die es sich lohnt nachzudenken, die sich zu Grundlage für eine Predigt machen ließen. Da muss eine Auswahl getroffen werden. Schauen Sie gerne noch einmal in den Text. Welche Themen sprechen Sie heute besonders an?

Mir ist die Auswahl nicht leicht gefallen –  hier meine drei Themen für heute:

Gleich am Anfang bleibe ich an einer Ermahnung hängen, mit der ich Schwierigkeiten habe: Weist die zurecht, die sich an keine Ordnung halten.
Luther übersetzt „die Nachlässigen“ , die katholische Einheitsübersetzung „die ein unordentliches Leben führen“.
Wer ist damit gemeint?
Früher hätte man wohl die darunter verstanden, die als Paar unverheiratet zusammen leben oder in einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft. Menschen, die sich scheiden lassen. Solche, die sich neu verliebt haben, obwohl sie verheiratet sind. Menschen, die keiner geregelten Arbeit nachgehen. Oder Menschen, die sich nicht an die traditionellen Geschlechterrollen halten. Eher selten kamen die in den Blick,  die, die eine Machtposition zu ihrem eigenen Vorteil ausnutzten.
Und heute? Auch da möchte man zuweilen etwas sagen. Oder wünscht sich, dass jemand anderes das tut. Ja, wir haben gelernt, dass Menschen auf verschiedene Weisen leben und zusammenleben können. Auch Christinnen und Christen. Aber was, wenn man den Eindruck hat „Hier stimmt etwas nicht.“ und das hat auch Auswirkungen auf andere? Das griechische Wort, das Paulus für die Menschen benutzt, die er ermahnen möchte, ist „ataktos“.
Diese Wort finde ich hilfreich. Da ist ein Leben aus dem Takt geraten. Der ursprünglich gute Rhythmus stolpert. Zumindest habe ich den Eindruck. Und dann ist es gut, das anzusprechen. Respektvoll. Auf Augenhöhe. Zu fragen, was los ist und zuzuhören, was die oder der andere zu sagen. Zu sagen, was einem aufgefallen ist. Respektvoll und ehrlich. Mit der Bereitschaft auch selbst zu lernen. Es gehört Mut dazu, aber ich glaube, dass es sich lohnt.

Mein zweites Thema ist.
Den Geist bringt nicht zum Erlöschen, Prophetische Reden verachtet nicht.
Täglich hören wir, welche katastrophalen Folgen unser Lebensstil für unsere Erde hat. Kaum eine Ausgabe der Zeitung, kaum eine Nachrichtensendung, in der
nicht die Rede von der drohenden Klimakatastrophe und der Umweltzerstörung ist. Und ähnliches gilt für die ungerechte Verteilung von Gütern und Lebenschancen in unserem Land, aber in noch größeren Ausmaß weltweit:.Nahrung, Wohnen, Bildung, die größer werdende Kluft zwischen Armen und Reichen. Unsere modernen Propheten kommen oft aus der Wissenschaft. Nach nüchternen Analysen machen sie uns deutlich, dass das Leben auf unserer Welt bedroht ist, wenn sie an diesen Punkten nicht grundlegend etwas ändert.
Das geht uns gerade als Christen und Christinnen an, denn all diese Themen lassen sich unter dem Thema „Gerechtigkeit“ zusammenfassen. Und das war schon immer ein wichtiges Thema biblischer Propheten. Es stellt sich sogar die Frage danach, wer oder was unser Gott ist. Wie Martin Luther sagt: Woran dein Herz hängt, das ist dein Gott.  - „Was kann ich dagegen tun, dass mein Lebensstil zu einem Götzen wird, dem so viel Leben geopfert wird?“ 
Ich möchte das nur zu oft nicht hören, und schon gar keine Konsequenzen daraus ziehen und bin dann immer wieder in der Versuchung das unangenehme Brennen die Geistes einfach abzulöschen und die lästige Prophetie bei Seite zu schieben.

Als letztes leuchtet mir entgegen:
Freut euch allezeit, betet ohne Unterlass, in allem sagt Dank; das ist der Wille Gottes, in Christus Jesus, für euch.
Gott will nicht, dass wir uns von schweren Gedanken gebückt durch unser Leben schleppen. Er bietet uns ein uns zu begleiten und mit ihm zusammen durch das Leben zu gehen – so verstehe ich „betet ohne Unterlass“. Er will, dass wir einen Blick haben, für all das Schöne in unserer Welt, dass wir uns darüber freuen und der Dank nur so aus uns heraussprudelt und dass wir aus dieser Kraft heraus handeln Deshalb hat uns Jesus Christus geschickt.  Jesus nimmt uns den Druck ab, perfekt zu sein und aus eigener Kraft die Welt retten zu müssen. Dafür ist er am Kreuz gestorben. Und wir dürfen aus Freude und Dankbarkeit heraus leben.

Ich möchte diese Predigt mit dem Segenswunsch des Paulus abschließen:
Er aber, der Gott des Friedens, heilige euch durch und durch; Geist, Seele und Leib mögen euch unversehrt und untadelig erhalten bleiben bis zur Ankunft unseres Herrn Jesus Christus.  Treu ist, der euch ruft: Er wird es auch tun.

Amen

 

Letzte Aktualisierung: 29.03.2024 | Impressum | Datenschutzerklärung