Predigt für den Pfingsmontag 2021

Die Gnade unseres Herren Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit uns allen.
Vom Geist der Wahrheit haben wir gesungen, von der inspirierenden Geistkraft, die uns lebendig macht, unsere Gemeinschaft zum Blühen bringt und uns beflügelt Gutes zu tun.
Wenn ich hier von der Geistkraft rede und damit ein grammatikalisch weibliches Wort benutze, ist das übrigens nicht unserem modernen Bedürfnis danach geschuldet, dass weibliches und männliches – und damit auch Frauen und Männer - ausgewogen vorkommen sollen.
Ich möchte damit in Erinnerung rufen, dass der Geist Gottes uns in der Bibel zuerst als Ruach begegnet – und dieses Wort ist im hebräischen nicht zufällig grammatikalisch weiblich, denn die Geistkraft hat mütterliche Qualitäten. Sie bringt Leben zur Welt, sie gibt Raum, damit etwas heranwachsen kann. Dazu gehört ein liebevoller Blick auf das, was da im Entstehen begriffen ist. Das bedeutet übrigens nicht, dass Männer diesen Blick nicht haben können.
Es ist ein anderer Blick, als der analytische Blick des Planers und Machers, der Projekte nach eigener Vorstellung in Angriff nimmt und in dem, was ihm begegnet zunächst einmal Material und Bausteine sieht. Dieses strategische Planen ist in unserer Kultur und Gesellschaft sehr stark – im übrigen bei Männern und bei Frauen. Dazu gehört ein kritischer Blick, dem schnell ins Auge springt, was unzureichend, schlecht oder sogar böse ist. Diese Weise der Welt zu begegnen hat sich an vielen Punkten als sehr erfolgreich erwiesen. Aber sie geht oft mit einem kritischen oder sogar negativen Menschenbild einher. Da wird gesehen, was fehlt und nicht was da ist. Da wir Menschen soziale Wesen sind, hat das aber Folgen: Erwarte ich von einem Menschen Negatives, trägt das dazu bei, dass er oder sie sich auch so verhält – eine self fullfilling prophecy – eine sich selbst erfüllende Prophezeiung. Begegne ich einem Menschen dagegen mit positiven Erwartungen, beflügelt ihn das sich auch entsprechend zu verhalten. Es entsteht ein Raum, in dem Positives wachsen kann. Solch einen Raum eröffnet uns die Heilige Geistkraft. Von ihr dürfen wir uns den Blick auf unsere Mitmenschen (und auch auf uns selbst) öffnen lassen.
Im Predigttext für den Pfingstmontag ist davon die Rede. Ich lese den bekannten Text aus 1. Korinther 12 in der Übersetzung des Basis Bibel:   
Es gibt zwar verschiedene Gaben, aber es ist immer derselbe Geist. Es gibt verschiedene Aufgaben, aber es ist immer derselbe Herr. Es gibt verschiedene Kräfte, aber es ist immer derselbe Gott. Er bewirkt das alles in allen Menschen. Das Wirken des Geistes zeigt sich bei jedem auf eine andere Weise. Es geht aber immer um den Nutzen für alle.
Der eine ist durch den Geist in der Lage, mit Weisheit zu reden. Ein anderer kann Einsicht vermitteln – durch denselben Geist! Einem Dritten wird durch denselben Geist ein besonders starker Glauben gegeben.Wieder ein anderer hat durch den einen Geist die Gabe zu heilen. Ein anderer hat die Fähigkeit, Wunder zu tun. Ein anderer kann als Prophet reden, und wieder ein anderer kann die Geister unterscheiden. Der Nächste redet in verschiedenen unbekannten Sprachen, ein weiterer kann diese Sprachen deuten. Aber das alles bewirkt ein und derselbe Geist. Er teilt jedem eine Fähigkeit zu, ganz so, wie er es will.
Paulus entwickelt hier ein sehr positives Menschenbild: Er rechnet damit, dass die Menschen um ihn herum grundsätzlich fähig sind, und dass alle Fähigkeiten haben, die ihnen von der Geistkraft geschenkt werden. Dafür muss man nicht erst eine lange und anstrengende Ausbildung machen. Es gilt die Fähigkeiten zu entdecken und zu entwickeln. Bei sich selbst und bei anderen. Paulus führt einen wahren Strauß solcher Fähigkeiten auf. Ich versuche einmal die einzelnen Blumen in diesem Strauß zu betrachten:
Die erste ist „Mit Weisheit reden“ – da spricht einer so, dass man verstehen kann, wie alles zusammenhängt, und wie man auch sich selbst in einer schwierigen Situation über Gutes freuen oder sich zumindest mit der Situation arrangieren kann.
Als zweite Blume entdecke ich die Einsicht: Eine erklärt einem einen konkreten Sachverhalt so, dass man ihn versteht und handlungsfähig wird.
Dann ist da der Glaube: Es gibt es Menschen, die durch ihren Glauben ein Vertrauen und eine Zuversicht ausstrahlen, die ansteckend ist.
Eine Blume, die in den Pandamiezeiten besonders wichtig ist, ist die Fähigkeit zu heilen. Ich sehe sie bei Pflegern und Ärztinnen, Physiotherapeutinnen und Psychologen mit all ihren professionellen Möglichkeiten. Aber auch bei Menschen verschiedenster Berufe, die uns helfen heil zu werden, unabhängig davon, ob wir auch im klinischen Sinne gesund werden.
Eine Blume aus dem Strauß lässt sich kaum beschreiben: Die Gabe Wunder zu tun finde ich besonders schwer zu fassen – das liegt wohl daran, dass ein Wunder das ist, womit man nicht rechnen kann. Und dennoch geschieht es immer wieder.
Die nächste Blume hat für mich etwas von einer stacheligen Distel: Menschen, die prophetisch reden, begegnen mir öfter. Oft verbreiten sie unangenehme Wahrheiten und bringen gerade dadurch den Willen Gottes zur Sprache. Besonders entspannend ist so eine Begegnung meist nicht.
Als siebte Blume nehme ich eine in die Hand, die wir in unserer pluralen und unübersichtlichen Welt besonders nötig haben: die Fähigkeit Geister unterscheiden zu können. Menschen mit dieser Fähigkeit können uns helfen zu entscheiden, auf welche der vielen Stimmen wir in einer konkreten Situation hören sollen.
Als letztes kommt eine recht exotische Blume und ihr einheimisches Pendant: Es gibt es Menschen, die in einer uns unbekannten Sprache reden – weil sie eine andere Muttersprachen haben. Oder weil sie ansonsten auf eine Weise sprechen, die wir nicht verstehen können. Im ersten Moment ist das störend. Oder sogar verstörend. Wenn aber dann jemand kommt, der übersetzen kann, kann uns das eine ganz neue Welt eröffnen.
Neun Blumen hat dieser Strauß - Paulus führt hier neun Fähigkeiten auf. Es ist keine Zahl bei der man davon ausgehen kann, dass die Reihe abgeschlossen ist, wie bei sieben oder zwölf. Es lassen sich weitere dazu pflücken. Und wenn ich mich umschaue, z.B. in unserer Gemeinde entdecke ich noch eine ganze Reihe davon!
Spannend finde ich, dass es keine Hierarchie der Fähigkeiten gibt – da ist keine besser oder schlechter, als die andere. Aber es gibt kostbare, bei denen man genau hinschauen muss, um sie zu entdecken. Solche Fähigkeiten sind übrigens etwas anderes, als ein fester Besitz oder ein Amt. Sie dienen nicht dazu, dass einzelne sich profilieren können, sondern zum Nutzen aller. Sie entfalten ihre Wirkung besonders dann, wenn wir zusammenarbeiten und eine Gemeinschaft bilden – erst dann wird aus alledem ein wunderschöner Strauß.
Die Basis dazu liegt in Gott: Paulus beschreibt Gott auch als Gemeinschaft – ähnlich wie in der Trinität. Und damit steckt in diesem Text schon ein Hinweis auf das Trinitatisfest am nächsten Sonntag. Die Trinität Vater, Sohn und Heiliger Geist wird, allerdings in umgekehrter Reihenfolge, aufgeführt: Das ist der (Heilige) Geist, der uns die verschiedenen Gnadengaben, die Charismen schenkt. Da ist der Herr, also Jesus Christus, der uns verschiedene Aufgaben gibt. Es ist Gott, der Vater, vom dem wir die Kräfte bekommen, die wir dazu brauchen. Hier wurzeln all diese Blumen, von hier haben all unsere guten Fähigkeiten ihre Basis.
So lasst uns unsere Herzen, Augen und Ohren öffnen und uns auf so vielfältige Art und Weise begeistern lassen! Komm Heilige Geistkraft!
Und der Friede Gottes, der höher ist, als alle menschliche Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.

Letzte Aktualisierung: 24.04.2024 | Impressum | Datenschutzerklärung