Predigt für den Sonntag Kantate 2021                                      

Die Gnade unseres Herren Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit uns allen.

Liebe Leserin, lieber Leser,

wir feiern heute den Sonntag Kantate - das bedeutet zu Deutsch „Singet!“ .  Und schon zum zweiten Mal können wir dieser Aufforderung nicht nachkommen. Zumidest nicht unbeschwert. Hier in der Kirche darf nur ich alleine singen, draußen vor der Tür dürfen wir es alle zusammen, aber nur mit Maske. Wie wichtig das Singen für unsere Gottesdienste ist und wie gut es uns tut, merken wir besonders jetzt, wo es verboten ist.

Um ein Verbot laut zu singen und Gott zu loben geht es auch im Predigttext für den heutigen Sonntag. Ich lese aus dem 19. Kapitel des Lukasevangeliums die Verse 37 – 40:

Und als er schon nahe am Abhang des Ölbergs war, fing die ganze Menge der Jünger an, mit Freuden Gott zu loben mit lauter Stimme über alle Taten, die sie gesehen hatten,
und sprachen: Gelobt sei, der da kommt, der König, in dem Namen des Herrn! Friede sei im Himmel und Ehre in der Höhe!
Und einige von den Pharisäern in der Menge sprachen zu ihm: Meister, weise doch deine Jünger zurecht!
Er antwortete und sprach: Ich sage euch: Wenn diese schweigen werden, so werden die Steine schreien.
Einigen Pharisäerinnen und Pharisäern war unwohl bei den Gesängen, die da plötzlich laut wurden. Sie wollten die Jüngerinnen und Jünger zum Schweigen zu bringen und nahmen deshalb Jesus zur Seite. „Sorge dafür, dass deine Leute mit diesem Gesang aufhören! Sie besingen dich als König zu besingen – das ist falsch und noch dazu gefährlich!“
Manchem kommen da Parallelen zu unserer heutigen Situation. Schließlich ist auch uns das unbeschwerte laute Singen, noch dazu in großer Runde, verboten. Und es gibt auch Zeitgenossen, die den Eindruck haben, nicht sagen (und singen) zu dürfen, was sie denken. „Damals war es die Rede von „Jesus als König“ und heute …“ Da wird dann schnell einmal von Willkür und im Extremfall sogar von Diktatur gesprochen. Aber stimmt das?
Das Anliegen der Pharisäer, die an Jesus herantraten war ganz und gar nicht willkürlich. Sie hatten wichtige Gründe für ihre Bitte. Schließlich lebten sie tatsächlich in einer Diktatur: „Bloß nicht das Misstrauen der römischen Besatzung wecken. Da wird von Jesus als König gesungen! Das könnte als Aufruhr verstanden werden. Und dann sind wir alle gefährdet. Und auf alle Fälle Du, Jesus!“
Ähnliche – und ähnlich berechtigte – Bedenken gibt es auch heute in vielen Diktaturen: in Belarus, in Myanmar, im Iran, in Russland, bei Landlosen in Lateinamerika, in China und in viel zu vielen andern Ländern auf der Welt. Da leben Menschen unter unerträglichen Bedingungen. Es tut ihnen gut sich zusammen zu tun und zu protestieren und auch gemeinsam von ihrer Hoffnung auf Veränderung zu singen. Doch gerade sie müssen gut abwägen, welche Protestmaßnahmen sinnvoll sind – und welche das Elend nur vergrößern und Menschen gefährden würden. Und doch protestieren viele – wem der Herz voll ist, geht der Mund über.
Gerade wenn ich an diese Menschen denke, ärgere ich mich darüber, wenn hier Leute lautstark behaupten, dass wir auch in so einer Situation seien. Auch wir dürfen nicht singen – oder nur draußen mit Maske und es gibt manche Beschränkung von Grundrechten. Nicht jede Maßnahme ist sinnvoll. Aber sie haben den guten Grund die Gesundheit und das Leben von Menschen zu schützen. Und alle die, die lautstark über Einschränkung ihrer Meinungsfreiheit schimpfen, gehen kein Risiko für Leib und Leben oder für ihre Familien ein, und auch ihre Existenzgrundlage ist durch ihren Protest nicht gefährdet. Es kann höchstens passieren, dass andere mit ihrer Meinung nicht einverstanden oder sogar genervt sind.
Jesus sieht keinen Grund, seine Jüngerinnen und Jünger zum Schweigen zu bringen. Er weiß, dass diese eine besondere Zeit und ein besonderer Ort ist, denn er steht auf dem Ölberg, auf dem nach dem Propheten Sacharja der Messias erscheinen sollt. Er steht hinter dem, was sie singen:
Gelobt sei, der da kommt, der König, in dem Namen des Herrn!                                    Friede sei im Himmel und Ehre in der Höhe! 
Nur Gott selbst kann den wahren König schicken. Alle anderen haben nur einen begrenzten Auftrag oder sie sind nur Despoten. Aber nun bricht das Reich Gottes an, die Herrschaft der Tyrannen hat ein Ende, die Menschen werden frei,  selbst der Tod wird besiegt – das gilt, das wird das letzte Wort sein. Auch wenn man davon auf unserer Welt viel zu wenig sieht. und dazu kann man nicht schweigen: Wenn diese schweigen werden, so werden die Steine schreien.
Der Gesang auf dem Ölberg erinnert an die Worte,  die Engel auf dem Feld in der Nacht seiner Geburt sangen: 
Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden bei den Menschen seines Wohlgefallens!
Auffällig ist, dass hier noch nicht vom Frieden auf Erden gesungen wurde. Daran war schon zu sehen, dass die Sache Jesu nicht so reibungslos ablaufen würde, wie die Jüngerinnen und Jünger damals geglaubt haben. Der Tempel Gottes und damit auch Jerusalem wurde wenige Jahre später von der römischen Besatzungsmacht zerstört – und bis heute schreien die Steine der Klagemauer. Jesus wird gefangen genommen, gekreuzigt und ein schwerer Stein wird vor sein Grab gewälzt. Da sind die Gesänge seiner Anhängerinnen verstummt. Es war nur noch ein Mob zu hören, der rief: „Kreuziget ihn!“ Doch nach drei Tagen war der Stein weg – das Grab war leer! Das ist Grund zur Hoffnung für alle, die unter Leid und Tyrannen in dieser Welt leiden. Und ein Grund Gott zu loben und zu preisen: Singt dem Herrn ein neues Lied, denn er tut Wunder!
Und der Friede, der höher ist, als alle menschliche Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen

Letzte Aktualisierung: 26.04.2024 | Impressum | Datenschutzerklärung